Uwe Pagel – Prerow
Wellness für die Haut gibt es gratis
Wer sich fragt, warum es an der Ostsee soviel Wellnessangebote gibt, braucht diesem Mann nur ins Gesicht zu schauen: Uwe Pagel geht glatt für 20 Jahre jünger durch. Seine Erklärung dafür ist einfach: gute Gene und jeden Tag frische Seeluft. Einsalzen gehört bekanntlich zu den ältesten Konservierungsmethoden. Auch sonst macht der Mann einen sehr entspannten Eindruck, scheint in sich zu ruhen und lacht gern. Er liebt es, auf dem Wasser zu sein, wo man für sich sein kann, und Seeadler in luftigen Höhen und Wildschweine am Ufer beobachten kann.
Fischen im Nationalpark
Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft zu fischen, ist zwar mit einigen Auflagen verbunden, und man muss sich mit den Kegelrobben arrangieren, die einem die Netze zerpflücken und den Fang stibitzen, aber Uwe Pagel einigt sich mit ihnen. Damit muss man leben, das ist Natur. Und er liebt die Natur. Zwei seiner Boote liegen im Nothafen Darßer Ort. Außenstehenden ist das Betreten des Nationalparks an dieser Stelle nicht erlaubt. Deswegen kann er seinen Fisch nicht direkt ab Boot verkaufen. Das bedeutet, man muss viele Kisten schleppen: Kommt der Hund nicht zum Knochen, kommt der Knochen eben zum Hund. Wenn man vom Fischfang leben möchte, muss man seinen Fang direkt an den Endverbraucher verkaufen, meint Pagel. Und das scheint zu funktionieren. Sein Firmenwagen, ein Pick-up, ist kaum zu übersehen, jeder kennt ihn im Ort. Der Wagen sieht aus wie ein rollendes Aquarium. Darauf prangt in großen Lettern „Darss-Fisch“ und darunter der Name des Mannes am Lenkrad.
Wir nennen es die Fischküche
Ein richtiges Ladengeschäft braucht Uwe Pagel nicht. Man ruft ihn an, erfährt, was der morgendliche Fang gebracht hat oder was im Kühlhaus auf Lager liegt. Auf dem Grundstück seines Elternhauses steht ein kleines Nebengebäude, in dem der Fisch ausgenommen und filetiert wird. Da können die Kunden, meist Stammkunden, ihren Fisch abholen. Im Angebot ist, was am Haken hing, ins Netz gegangen ist und saisonal auf der Menükarte der Natur steht. Dazu gehören Zander, Barsch, Hecht und Aale aus den Bodengewässern und Lachsforellen oder Barsche aus der Ostsee. Flunder und Hering sind Fischarten, deren Absatz sich nur in großen Mengen lohnt. Das bedeutet aber: wieder Kisten den Strand raufschleppen. Mit dem offenen 5,50 Meter Boot, der „PRE 7“, darf er bis drei Seemeilen und Windstärke 4 auf die See hinausfahren und dort seine Stellnetze platzieren. Wenn der Wind mit starken Böen von Nord bläst, geht es von Born am Darß aus in den windgeschützten Bodstedter oder Saaler Bodden, wo er ebenfalls ein Boot liegen hat. Hinter dem Nebengebäude befinden sich die Lagerflächen für das Fanggerät, Stellnetze und Grundreusen, zwei Räucheröfen und ein angemessener Holzvorrat. Ein Ofen dient dem „kalten Räuchern“ in erster Linie von Lachs bei Temperaturen zwischen 15 °C und 25 °C. So ein Räuchervorgang nimmt mehrere Tage in Anspruch und erfüllt primär den Zweck, das Fischfleisch haltbar zu machen und die Vitamine zu erhalten, die in der industriellen Verarbeitung verloren gehen. Das Heißräuchern bei Temperaturen zwischen 60 °C und 120 °C zaubert die fertige Fischmahlzeit schon nach weniger als drei Stunden auf den Teller. Dafür muss er aber möglichst noch am selben Tag verzehrt werden.
Meistens kommt es anders, als man denkt
Eigentlich hatte Uwe Pagel mit der Küstenfischerei nicht viel am Hut. Seine Ambitionen, den Familienbetrieb in Prerow zu übernehmen, hielten sich in Grenzen. Das war ihm zu viel Rumgepfriemel. Die Küstenfischer sind ja nicht allein damit beschäftigt, den Fisch aus den Netzen zu pulen. Wenn der Wind von Nordost kommt, verheddert sich viel Seetang, Holz und anderer Unrat in den Netzen, und es macht keinen Spaß, das Zeug aus dem Fanggerät zu knibbeln. Dabei hatte er seinem Vater zu oft zusehen müssen. Da verhält es sich in der Binnenfischerei ganz anders. Da kann man auch bis Windstärke 6 noch rausfahren oder die Netze länger stehen lassen und einen Sturm aussitzen. Oder man geht am Strand spazieren und sucht nach Bernstein. 2,5 Kilogramm des Wikingergoldes auf einen Schlag war sein bester Fund. Von 1975 bis 1977 hat er das Binnenfischereihandwerk in Werder am Plessower See erlernt. Bis 1981 arbeitete er am Institut für Hochseefischerei und Fischverarbeitung in Born als Anlagenfahrer, um vier Jahre später mit einem Freund zusammen doch noch in die Hochseefischerei einzusteigen, um später dann doch noch den väterlichen Betrieb zu übernehmen und wieder in der Kutter- und Küstenfischerei glücklich zu landen.
Wir machen über die Grenze
Schon länger schmiedete Uwe Pagel Pläne, aus der DDR zu fliehen. Mit Unterstützung eines tschechischen Kamerateams, das seine Papiere mit nach Prag nahm, ging es schließlich 1989 zusammen mit einem Kumpel über Ungarn und Österreich in den Norden der Bundesrepublik. Er war eben mit Leib und Seele Fischer. Auf der Reeperbahn in Hamburg gab ihm jemand einen Tipp, und er heuerte von 1989 bis 1990 auf dem Hochseetrawler „J. von Cölln“ an. Der Schleppnetztrawler geht heute noch unter der Führung von Kapitän Fritz Flindt auf Fangfahrt im Skagerrak bis hinauf zu den Faröer-Inseln. Heimathafen ist inzwischen allerdings Cuxhaven. Ihren Fang löschten sie meist in Hanstholm, an der Nordseeküste Jütlands, wo es übrigens auch ein ganz hervorragendes Fischrestaurant direkt am Hafen gibt, den „Færgegrillen“. Dort trifft man regelmäßig auf die Besatzungen der Trawler. Mit der Wiedervereinigung stand für Uwe Pagel fest, dass er zurück nach Prerow wollte. Seit 20 Jahren lebt er nun mit seiner Lebensgefährtin Kathleen zusammen, sie haben eine gemeinsame Tochter, Gina, und Uwe Pagel ist wieder in seiner Heimat sesshaft geworden.